Brustkrebs: “Gespräche mit Ärzten, Psychologen und dem Umfeld waren eine große Hilfe”

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Brustkrebs: “Gespräche mit Ärzten, Psychologen und dem Umfeld waren eine große Hilfe”

Uta, 64 Jahre, Betriebswirtin im Ruhestand

 

Ich habe im Juli 2017 ohne eine Vorahnung am Mammographie-Screening teilgenommen. Nach zwei Wochen bekam ich die Nachricht, dass weitere Untersuchungen erforderlich seien. Es war dann auch relativ schnell klar, dass ich Brustkrebs habe. 

Die Diagnose war ziemlich heftig, ich war am Boden zerstört. Hinzu kam, dass eine Freundin am selben Tag die gleiche Diagnose bekommen hatte. Wir haben uns im Wartezimmer der Arztpraxis getroffen und gemeinsam geweint, aber auch den Vorsatz gefasst, das gemeinsam durchzustehen. So ist das auch bis heute. 

Zum Glück habe ich sehr viel Verständnis und Hilfestellungen bekommen, vor allem von meinen Kindern und von meinem Mann. Für den war die Diagnose natürlich auch ein riesen Schlag. Seine Mutter ist an Brustkrebs gestorben, die Schwester hatte ebenfalls eine schwere Form der Erkrankung. Er wusste also was auf uns zukommt.

Drei Tage nach der Diagnose – ein Freitag, und ausgerechnet mein Geburtstag – stand dann auch schon die Operation an. Der behandelnde Gynäkologe fragte, ob ich noch eine Zweitmeinung einholen wollte. Da ich vollstes Vertrauen in ihn hatte, war dies aber nicht notwendig. Ich wollte so schnell wie möglich operiert werden. Das Zimmer teilte ich mir mit meiner Freundin. 

Nach meiner OP hing ich erstmal in der Luft. Die entfernten Lymphknoten und das Brustgewebe wurden eingeschickt, um herauszufinden, ob alles im Gesunden entfernt wurde und ob die Lymphknoten bereits Tumorzellen enthielten. Der histopathologische Befund kam dann am darauffolgenden Dienstag. Ich werde nie vergessen, wie der Arzt freudestrahlend in mein Zimmer kam und sagte, dass ich nach Hause gehen könne, da keine weitere Operation erforderlich sei. Das war Anfang August, im September startete ich mit der Strahlentherapie. Eine Chemotherapie war nicht nötig, dafür muss ich aber dieses- wie ich finde – ekelhafte Medikament Letrozol einnehmen. Die OP der Lymphknoten hat zunächst die Beweglichkeit ein bisschen eingeschränkt, aber ich habe sehr viel Physiotherapie gemacht, dank der ich das schnell wieder in den Griff bekommen habe. 

Medikamente bereiten unangenehme Begleiterscheinungen

Die nächsten fünf Jahre soll ich einen Aromatasehemmer einnehmen, der mir von Anfang an Probleme bereitet. Auch nach anderthalb Jahren werden diese nicht weniger, sondern nehmen eher zu. Meine Beweglichkeit ist sehr eingeschränkt, ich habe meistens Schmerzen, vor allen Dingen nachts, weil ich das Medikament abends einnehme. Mein Arzt meinte, das sei besser, weil ich dadurch im besten Fall die Nebenwirkungen „verschlafe“. Das ist jedoch bei mir leider nicht der Fall – ich kann deswegen nachts oft einfach nicht schlafen. Ich habe von meiner Hausärztin ein Beruhigungsmittel bekommen, das Menschen mit chronischen Schmerzen hilft. Dadurch bin ich morgens nun nicht mehr komplett neben der Spur. Wenn die Schmerzen unerträglich werden, nehme ich Schmerztropfen ein, manchmal bin ich dann nicht in der Lage, zur Arbeit zu gehen. Wegen den Schmerzen kann ich keine 500 Meter am Stück laufen. Das belastet mich, weil ich eigentlich gerne spazieren gehe. Letztens war ich mit meinem Mann im Baumarkt, da musste ich mich sogar auf so einen Karren setzen und mich ausruhen. Da der Aromathasehemmer mir derartige Probleme bereitet, werde ich mit meinem Gynäkologen über ein Alternativpräparat sprechen, außerdem möchte ich mit einer manuellen Schmerztherapie beginnen.

Gynäkologin wollte mich sofort wieder arbeiten schicken

Vor der Strahlentherapie hatte ich zwei Termine bei meiner Gynäkologin. Die zeigte nach meinem Empfinden aber nur wenig Verständnis für mich. Ich hatte das Gefühl, dass sie falsche Angaben machte und mir wenig Empathie entgegen bringt. Sie sagte, ich solle so schnell wie möglich wieder arbeiten gehen. Das ging aber gar nicht, weil ich zu dem Zeitpunkt noch die Strahlentherapie bekommen habe. “Ich könnte ja während der Bestrahlung arbeiten”, meinte die Ärztin. Das wollte ich aber nicht, da ich mich gesundheitlich hierzu nicht imstande sah. Ich wusste, dass das eine sehr große Belastung sein würde – für Körper und Psyche. Hinzu kommt, dass ich zwei Stunden Fahrtzeit zur Arbeit habe. Rein technisch wäre das gar nicht möglich gewesen. Ich sollte dann aber direkt nach der Strahlentherapie wieder arbeiten gehen, sagte meine Frauenärztin. “Eigentlich habe ich  dann aber noch Anspruch auf eine Rehabilitationsmaßnahne”, sagte ich ihr. “Ach ja, aber nach der Reha gehen Sie sofort wieder arbeiten”, erwiderte sie. In dem Moment war Arbeit das Letzte, was mich interessierte. Ich liebe meine Arbeit, aber ich kann selbst am besten entscheiden, wann ich wieder arbeitsfähig bin. Letztendlich habe ich die Ärztin gewechselt. 

Mein Arbeitgeber zeigt sehr viel Verständnis für meine Situation und meinte, ich solle mir alle Zeit der Welt nehmen. Auch meine Kollegen haben mir dieses Gefühl gegeben. Rückblickend hat sich auch bewahrheitet, dass es richtig war, den Fokus auf die Erkrankung zu legen. Bei meinem jetzigen Gynäkologen fühle ich mich besser aufgehoben, ideal ist es aber immer noch nicht. Zu einer Frau hätte ich vermutlich mehr Vertrauen als zu einem Mann. Für mich ist das aber ohnehin nur eine vorübergehende Lösung, da ich bald mit meinem Mann nach Holstein ziehe, wo ich schon eine Gemeinschaftspraxis gefunden habe. Dort werde ich dann wieder zu einer Ärztin gehen.

Von meiner ehemaligen Gynäkologin mal abgesehen habe ich mich gut betreut gefühlt. Es hat geholfen, dass alles verhältnismäßig zügig ging, aber auch nicht zu schnell. Zwischendurch hatte ich immer noch Zeit für mich, wusste aber stets was der nächste Behandlungsschritt sein würde. Ich konnte beispielsweise zwischen der OP und der Strahlentherapie noch Urlaub machen. Bei der Strahlenbehandlung hatte ich nie das Gefühl, dass das eine Fließbandarbeit ist. Alle Beteiligten haben sich sehr um mich gesorgt, von der Rezeption bis zum Bestrahlungsraum. Mir wurden immer Gespräche angeboten, das hat mich sehr beeindruckt. Insbesondere die Behandlung im Krankenhaus durch den Arzt und die Betreuung der Schwestern war gut.

Zuhause habe ich mich am sichersten gefühlt

Bis zur Strahlentherapie hatte ich kaum Verpflichtungen und konnte mich mit mir, meinem Umfeld und mit der Krankheit beschäftigen. Ich habe in dieser Zeit viel gelesen und Zeit zuhause verbracht. Ich wollte nicht raus – da war so eine undefinierbare Angst, zuhause habe ich mich sicherer gefühlt.

Die Bestrahlung dauerte für üblich anderthalb bis zwei Stunden. An- und Abfahrt und die Sitzung haben meinen Tagesablauf geprägt. Ich war meist froh, wenn ich wieder zu Hause war. Anschließend habe ich mich ausgeruht und danach Arbeiten im Haus erledigt. 

 

Vier Wochen habe ich in der Reha verbracht. Mir fiel auf, dass ich in der Zwischenzeit sehr empfindlich geworden war, was die Meinung anderer betrifft. Eine Situation ist mir besonders präsent: Ich war mit meinem Mann in der Stadt, wo wir zufällig einen Bekannten trafen. Der sagte: “Ich habe gehört du hast Krebs, das sieht man ja gar nicht.” Ich habe mich gefragt, wie ich denn hätte aussehen sollen. 

Im Laufe der Behandlung ist auch eine Freundschaft zerbrochen. Meine frühere Freundin tat mir einfach nicht mehr gut, weshalb ich die Freundschaft auf Eis gelegt habe. Ich betrachte Freundschaften heute aus einem neuen Blickwinkel. Es haben sich auch neue Freundschaften entwickelt, vielleicht weil ich seit der Krankheit anders auf Menschen zugegangen bin. Eine meiner Kolleginnen hat sich auch sehr um mich gekümmert, daraus ist auch so etwas wie eine Freundschaft entstanden. Ich habe gemerkt, dass mich die Kollegin so akzeptiert wie ich bin – mit oder ohne Krebs. So etwas fühlt sich gut an.

Die Diagnose fiel zusammen mit einer wichtigen Entscheidung: kaufen wir ein Haus in Holstein oder nicht. Ich wollte das unbedingt, ich brauchte eine solche Vision und ein Ziel. Auch das hat mir bei der Krankheitsbewältigung geholfen.

Psychosoziale Krebsberatung als zusätzliche Unterstützung

Mein größte Sorge ist, dass der Krebs wiederkommt, mit dieser Angst muss ich leben. Manchmal träume ich auch, dass er zurück ist. Das macht mich dann traurig.    

Zum Glück konnte ich mit Ärzten, mit meinem Umfeld, sogar mit meinen Kollegen über vieles sprechen. Nach den Gesprächen habe ich mich auch besser gefühlt. Die Ängste konnten mir zwar nicht genommen werden, ich habe allerdings gelernt, damit umzugehen. Seit der OP nehme ich auch die Unterstützung einer psychosozialen Krebsberatungsstelle in Anspruch. Auch das war für mich ein wichtiger Anker.

Ärztinnen und Ärzte sollten die individuellen Befindlichkeiten der Patientinnen und Patienten im Auge behalten und nicht immer nach Schema F agieren. Jede Person hat schließlich einen anderen Hintergrund. 

Patienten rate ich, offen mit der Krankheit umzugehen und sie nicht zu verdrängen. Und es ist wichtig, sich in einer solchen Lage Hilfe zu holen. Ich habe in der Reha zwei Menschen kennengelernt, denen während der Krebserkrankung der Job gekündigt wurde. Ich habe das gar nicht glauben können. Zusätzlich zur Todesangst hat man dann auch noch Existenzängste. Man sollte sich in solchen Fällen ein größtmögliches Netz von Unterstützern suchen. Viele wissen gar nicht, was ihnen zusteht. Ich habe beispielsweise einen Schwerbehindertenausweis mit 50 Prozent und ich gehe zwei Jahre früher in Rente. Das war für mich zunächst etwas ungewöhnlich, inzwischen sehe ich das aber als eine Art Entschädigung, damit gehe auch ganz offen um. Ich möchte jetzt noch möglichst viel vom Leben haben, da soll mir nicht die Arbeit dazwischen kommen.

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Redaktion: Philipp Ollenschläger

Stand: 20.4.2020